Die Rede des Fraktionsvorsitzenden Raimo Biere im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kollegen und interessierte Zuhörer im Publikum:

Wir zeigen uns sehr erfreut, dass die Ergebnishaushalte 2017 und 2018 ein positives Ergebnis haben. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nach der letzten Haushaltsberatung für die Haushalte 2015 und 2016 mit Fehlbeträgen von 3,8 Mio. Euro in 2015 und 2,8 Mio. Euro in 2016 nicht so richtig daran geglaubt habe, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt für 2017 und 2018 erstellen können!
Und dieses ohne weitere Anhebungen der Grundsteuern und der Gewerbesteuer. Dafür ein großes Lob an Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr.

Wir haben ja auch erhebliche Abschreibungen in Höhe von jeweils ca. 8 Mio. Euro, die Bad Vilbel im Gegensatz zu Bund und Land erwirtschaften muss. Überhaupt, die Abschreibungen, mein allerliebstes Reizthema. Wenn unsere vielen kleinen Familien-GmbHs, das Rückgrat unserer mittelständischen Wirtschaft, Konkurs anmelden müssten, wenn sie Verluste unterhalb ihrer Abschreibungen erwirtschaften, würde unsere Wirtschaft zum Erliegen kommen. Denn wenn diese dem Inhaber und ihren Beschäftigten jedes Jahr ein ausreichendes  Einkommen ermöglichen, ist es eigentlich vollkommen egal, ob die GmbHs einen buchmäßigen Verlust erleiden. Solange diese GmbHs jeweils Rechnungen, Mitarbeiterlöhne, Sozialabgaben und Steuern pünktlich zahlen, können diese über Jahre, ja sogar Jahrzehnte, problemlos existieren und weiter arbeiten. Warum gilt dieses nicht auch für Kommunen?

Denn die Rahmenbedingungen für die Kommunen sind alles andere als einfach. Mit dem Herbsterlass 2014 wurde eine Steuererhöhungsspirale bei Grund- und Gewerbesteuer sondersgleichen in Gang gesetzt. Zudem wurden bei den Berechnungen der Schlüsselzuweisungen für die Kommunen durch das Land Hessen bei den Einnahmen immer die Höchstwerte genommen und bei den Ausgaben nur der Durchschnittswert. Diese Vorgehensweise kann man nur als Kartenspielertricks der Landesregierung beschreiben! Hinzu kommt ein Kommunaler Finanzausgleich in Hessen, der bei einzelnen Kommunen dazu führt, dass diese eine Solidaritätsumlage an das Land Hessen abführen müssen, unter anderem Schwalbach mit ca. 4,2 Mio. Euro und Neu-Isenburg mit ca. 8 Mio. Euro. Die betroffenen Kommunen, mittlerweile sind es 33, klagen. Hoffen wir, dass diese vor Gericht Recht bekommen. Denn wie sieht es in Zukunft für Bad Vilbel aus, wenn wir demnächst schuldenfrei sind? Müssen wir dann auch eine Solidaritätsumlage an das Land Hessen zahlen? Weitere nicht in Bad Vilbeler liegender Hand mögliche Gefahren für die zukünftigen Haushalte in Bad Vilbel drohen durch nicht gedeckte Bürgschaften im Bundeshaushalt für Griechenland sowie durch nicht gedeckte Pensionsrückstellungen im Landeshaushalt Hessen.

Die Schlüsselzuweisungen des Landes sinken von 7,86 Mio. Euro in 2017 auf 3,33 Mio. Euro in 2018 und sind in 2021 lediglich noch mit 597.000 Euro in der Haushaltsplanung enthalten! Daher müssen die Stadtwerke in 2018 zur teilweisen Abmilderung eine Sonder-Ausschüttung von 1,3 Mio. Euro in den Haushalt stellen. Die Kreis- und Schulumlage wird zwar gesenkt werden, aber diese ist in einer Höhe von 25 Mio. Euro in 2017 und 26 Mio. Euro in 2018 immer noch der dickste Brocken im Haushalt. Positiv in den beiden Haushalten sind die Investitionen von 16 Mio. Euro in 2017 und von 21,3 Mio. Euro in 2018. Zwar hätten wir uns eine Streckung der LED-Umrüstung der Straßenbeleuchtung über zwei Jahre vorstellen können, um dafür dann den Radweg Plattenweg und den barrierefreien Umbau von Haltestellen vorzuziehen, aber wenn die Zuschussbescheide noch nicht da sind, müssen wir mit diesen Maßnahmen leider noch warten. Positiv ist ebenfalls der erfolgte Schuldenabbau in 2016 und der weitere Schuldenabbau in den nächsten Jahren sowie die Rückführung der Kassenkredite auf dann 19 Mio. Euro in 2018.

Kommen wir nun noch zu einzelnen Positionen im Haushalt von Bad Vilbel. Hier ist es hilfreich, wenn die Zuschüsse oder sollten wir besser sagen Subventionen mal pro Person berechnet werden. Der von den Grünen kritisierte Zuschuss zu den Burgfestspielen beträgt ohne Abschreibungen bei 100.000 Besuchern gerade mal ca. 4 Euro pro Besucher. Dieser Betrag wurde ohne Abschreibungen gerechnet, da bei dem alten Gemäuer sowieso immer wieder Instandhaltungsarbeiten vorgenommen werden müssen, da ansonsten die Burg zu zerfallen droht.

Dann haben wir die Zuschüsse zur gemeinsamen Musikschule Bad Vilbel / Karben. Hier beträgt der ermittelte Zuschuss bei ca. 2.000 Schülern ca. 210 Euro im Jahr. Die Erwähnung dieses Betrages soll keine Kritik daran sein, sondern es hilft, Zuschüsse besser vergleichbar zu machen.

Denn nun kommen wir zu dem Haushaltsprodukt Kindertagesstätten, bei dem wir eine Steigerung des Defizits von 6,4 Mio. Euro in 2015 auf 9,6 Mio. Euro in 2017 und 9,5 Mio. Euro in 2018 haben. Das ist eine Steigerung um ca. 3,1 Mio. Euro innerhalb von zwei Jahren. Dieses wurde durch die im Bundestag beschlossenen Rechtsansprüche auf Betreuungsplätze nötig und die Kommunen sind zur Schaffung dieser Plätze verpflichtet. Das Mitspracherecht der Kommunen bei diesen Gesetzen war gleich Null. Der durchschnittliche Zuschuss pro Kind beträgt bei 1.644 Kindern laut Produktbeschreibung für externe und interne Einrichtungen 5.880 Euro im Jahr! Von daher kann man durchaus Bad Vilbel als kinderfreundliche Stadt bezeichnen, obwohl wir uns gewünscht hatten, dass unser Kompromissvorschlag bei der Geschwisterregelung mit jeweils 75 % in die Satzung aufgenommen worden wäre, denn damit wäre jedes Kind finanziell gleich behandelt worden. Überlegungen, Betreuungsplätze für Kinder generell beitragsfrei zu stellen, kann man ja anstellen. Aber wie soll das gehen? Mit 1 kostenlos in die Betreuung bis zum Ende eines Studiums mit 25 Jahren, dann 40 Jahre arbeiten und mit 65 Jahren in die Rente bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 90 Jahren. Das würde bedeuten, 40 Jahre arbeiten und 50 Jahre alimentiert leben. Da muss ich doch Franz Müntefering zitieren, der in einem anderen Zusammenhang mal gesagt hat: „Das geht nicht. Das ist eine ganz einfache Rechenaufgabe. Dafür braucht man kein Studium der höheren Mathematik, dafür reicht Volksschule Sauerland!“

Abschließend noch ein Wort zu den Änderungsanträgen von Grünen und SPD zum Haushalt. Die Anträge der SPD haben keine Gegenfinanzierung enthalten und der geförderte Wohnungsbau ist zu den momentanen Konditionen unverantwortlich, da wir in 20 Jahren bei einer Tilgung von nur 1 % in ein unkalkulierbares Zinsrisiko laufen, welches wir den nachfolgenden Generationen nicht aufbürden dürfen. Da ist das von uns unterstützte, von mir schon einmal auf einer Podiumsdiskussion vorgeschlagene und schon im Parlament beschlossene Modell des Eigenbetriebes mit der Drittelmischung bei den zu zahlenden Mieten wesentlich besser geeignet.

Die vorgeschlagenen Gegenfinanzierungen der Grünen wie zum Beispiel die Streichung des Neubaus der Feuerwehr Gronau können keine Zustimmung von uns bekommen. Weitere vorgeschlagene Reduzierungen von Haushaltsansätzen können vielleicht planwirtschaftlich per Federstrich dargestellt werden, aber das hat schon in der DDR nicht funktioniert. Zudem haben die Grünen wieder Ihrer Vereinsphobie gefrönt und wollen die Vereine an den Unterhaltungskosten von Sportanlagen und Sporthallen beteiligen. Dem werden wir dieses Mal und auch in Zukunft nicht zustimmen.

Da uns die Anträge ein negatives Haushaltsergebnis bescheren würden, müssen wir alle Änderungsanträge ablehnen. Hierzu verweisen wir auf die Vorbemerkungen zum Haushaltssicherungskonzept, in dem klar steht, dass wir bei nicht ausgeglichenem Haushalt in 2017 den Hebesatz der Grundsteuer B um 10 % über den Landesdurchschnitt erhöhen müssen, so dass wir momentan auf einen Hebesatz von etwas mehr als 500 kämen. Das wollen wir nicht! Und wir wollen auch, dass in Bad Vilbel die Bürger keine Straßenausbaubeiträge zahlen müssen. Dafür sind nun mal ausgeglichene Haushalte erforderlich und nur diese erlauben uns auch ein selbständiges Agieren. Ebenso gilt es zu verhindern, dass uns ein Landrat per Anordnung, oder sollte man besser sagen per Deal, eine zu Lasten der Bürger gehende Satzung aufzwingt, die nicht im Stadtparlament beschlossen wurde! Wir hatten nämlich für die Bürger günstigere Sätze beschlossen. Daher haben wir lediglich einen Antrag mit Umschichtung der Mittel zum Jugendhaus eingebracht, bei dem wir uns die Unterstützung der anderen Fraktionen wünschen.

Die Anträge der Ortsbeiräte beinhalten zwar auch höhere Ausgaben, allerdings sind die Kosten in einem überschaubaren Rahmen. Wir werden diesen daher auch aus Respekt vor dem Gremium Ortsbeirat zustimmen. Abschließend möchte ich allen Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die geleistete Unterstützung danken. Dem vorgelegten Haushaltsentwurf sowie dem vorgelegten Stellenplan werden wir zustimmen.

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